Martin Pfeifle
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Imaginäre und imaginierte Räume -
Martin Pfeifles Arbeiten im Spiegel der Fotografie

Wer das Glück hat, Arbeiten von Martin Pfeifle unmittelbar begegnet zu sein, weiß, wie wichtig die ganzheitliche Erfahrung ist, um seine raumgreifenden Installationen zu erfassen. Im Begehen und Wahrnehmen erschließen sich dem Betrachter nach und nach die verschiedenen Dimensionen seiner Arbeiten zwischen Räumlichkeit, Form, Konstruktion, Oberflächen und Materialität.
Skulpturale und architektonische Ansätze, Oberflächengestaltungen an Wand und Boden und Kombinationen daraus schaffen räumliche Perspektiven und Muster, die den bestehenden Raum im wahrsten Sinne unter Beschlag nehmen. Diese Interventionen Pfeifles im Raum gehen von unterschiedlichen Innen-, Zwischen- oder Außenräumen aus, die zu Schauplätzen seiner Arbeit werden. Durch räumliche Transformationen entwickelt Pfeifle Formen und Strukturen, die er praktisch vor Ort mit Hilfe des für ihn so typischen Baumarktsortiments umsetzt. Aus der Suche nach einfachen konstruktiven und gestalterischen Lösungen wird ein Spiel aus Material und Form im Bewusstsein ihrer räumlichen Wahrnehmung. Der experimentelle Umgang mit den Materialien ist dabei ein sichtbarer Teil der Arbeit Pfeifles, die stets dem Prinzip einer begrenzten Haltbarkeit folgt. Mit dem Verzicht auf Dauerhaftigkeit stärkt Pfeifle insbesondere das Moment des Hier und Jetzt der unmittelbaren Erfahrung, in der sich gleichermaßen Freiheit und Leichtigkeit vermitteln.
Diese direkte Erfahrbarkeit der Arbeiten Pfeifles führt zu der Frage, wie es sich mit der Rezeption außerhalb der Unmittelbarkeit verhält. Das heißt, was passiert mit ihnen nach dem Ende ihrer begrenzten Ausstellungsdauer? Gibt es einen imaginären Ort, an dem sie weiter existieren, nachdem sie erstmal abgebaut sind?
Das in Einzelteile zerlegte und bearbeitete Material, das sich aufgrund seiner ortsspezifischen Anpassung nicht ohne weiteres an anderer Stelle wieder zur ursprünglichen Installation aufbauen lässt, kann diese Funktion nicht wirklich übernehmen. Auch wenn inzwischen herausgelöste Teile einer Installation zu Editionen Pfeifles geworden sind, die als Artefakte ihre neuen Kontexte suchen, ist das große Ganze nicht mehr fassbar. Praktisch bleibt letztlich nur die fotografische Abbildung, die als visuelles Zeugnis des Vergangenen die Arbeiten des Künstlers für die Zeit nach ihrem Abbau festhält.
Die fotografische Dokumentation übernimmt Martin Pfeifle konsequenterweise stets selbst. Die dabei entstehenden Installationsansichten – so wie auch in diesem Katalog abgebildet und, stets um neue Projekte aktualisiert, auf der Website Pfeifles zu finden – sind in erster Linie Blicke des Künstlers auf die Ergebnisse seiner Arbeit. Aufgrund der zumeist zeitlich begrenzten materiellen Existenz seiner Installationen kommt ihnen eine wichtige Rolle im Gesamtzusammenhang seines künstlerischen Schaffens zu: Auf der Basis des fotografisch Sichtbaren werden die verschiedenen Ansichten und Blickwinkel zur überlieferten optischen Essenz seiner Arbeiten. Die häufig durch Bewegungsunschärfe verschwommen im Bild erkennbaren Personen verdeutlichen als menschliche Vergleichsgröße Verhältnisse und Proportionen im Raum und ermöglichen eine imaginäre Begehung der Installationen. Da die Arbeiten Pfeifles von vornherein die räumliche Wahrnehmung mit ihren in Konstruktion und Ausgestaltung angelegten Flächen, Strukturen, Mustern und Farben herausfordern, überträgt sich der unmittelbare Moment des Eintauchens und Erforschens des optisch-räumlich Erfahrbaren, wie ihn der direkte Betrachter erlebt, auch bei der fotografischen Annäherung an das ehemals physikalisch Dagewesene. In den Fotografien leben seine Installationen so als imaginierte Räume weiter.
Ein weiterer aufschlussreicher Aspekt der Fotografie in Martin Pfeifles künstlerischer Praxis sind seine kontinuierlich im Alltag betriebenen Aufnahmen von gestalteten Formen, Details von Architekturen, Oberflächen und Mustern aller Art, die ihm begegnen. Diese Fotostudien bilden in ihrer Gesamtheit ein persönliches, visuelles Archiv Pfeifles, das als formale Inspirationquelle im Hintergrund seiner installativen Arbeiten steht. Mit der Rauminstallation FOTOFOTO (2009), die in der Ausstellung Lela im Kunsthaus Erfurt zu sehen war, wird dieses Archiv erstmals geöffnet und als solches zu einer Arbeit Pfeifles. 2145 digitale schwarz-weiß-Prints aus seinem Fotobestand liegen flächendeckend ausgebreitet auf dem Boden eines Raumes in der Ausstellung. Anstatt einer Installation als Ergebnis eines räumlichen und gestalterischen Transformationsprozesses präsentiert er eine spekulative Fotoarbeit, mit der einen bisher nicht sichtbaren Teil seines Arbeitsprozesses freilegt. Jedes Foto wird zum potentiellen Ausgangspunkt und zur formalen Inspiration eines möglichen neuen Raumentwurfs. Pfeifle überlässt es dabei dem Betrachter, sich hier wiederum seinen ganz eigenen imaginären Raum zu schaffen.

Philipp Fürnkäs