Martin Pfeifle
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Martin Pfeifle


Auch wenn der passionierte Heimwerker überzeugt sein mag, seine Ein- und Umbauten verdankten sich allein praktischen Notwendigkeiten, könnte alles immer auch ganz anders aussehen. Dass es eine Form des rein Funktionalen nicht gibt und jeder Konstruktion ästhetische Kriterien zugrunde liegen, ist spätestens mit der „formfollows-function“ Debatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts geklärt. Wer sich mit beliebten Renovierungshelfern wie Holzpanelen, Gipskarton, Haushaltslack, Teppichfliesen, Folien, Spanplatten, Styropor, Neonröhren usw. ans Werk macht, steht vor formalen Entscheidungen, - ob er sich der Verquickung von Konstruktion und Ornament bzw. Design bewusst ist oder nicht. Als Bildhauer arbeitet Martin Pfeifle mit eben diesen handelsüblichen Bau-Stoffen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme des Raumes - seinen formalen Gegebenheiten, seiner Atmosphäre - interessieren ihn Materialeigenschaften und Konstruktionsprinzipien als Parameter der künstlerischen Idee. In seinen
großformatigen Arbeiten erzeugen modular entwickelte Formen mit meist selbsttragenden Steck- und Stützverbindungen serielle Verläufe und Rasterungen auf den Oberflächen. Dabei suggerieren Präzision und Plausibilität der gebauten Strukturen eine Leichtigkeit, mit der die sperrige Grundkonstitution der Materialien zurück tritt hinter ein offenes, lichtdurchlässiges Gefüge aus Positiv- und Negativformen, das vom Monumentalen wie vom Ephemeren gleich weit entfernt liegt.
Vielleicht verdankt sich der Eindruck des Transitorisch-Luziden auch der Art und Weise, wie Martin Pfeifles Werke den Raum stets mitdenken, ohne mit ihm zu verschmelzen. Der Künstler nutzt den Raum als Bühne für den Auftritt des Konstruktiven, das seine angestammte (pseudo)funktionale Sphäre verlassen hat, um unerschlossene Daseinsformen zu erproben und Bilder zu erzeugen. Wenn er dabei das Material ebenso wie die Konstruktion bis an die Grenzen zum Bersten und Kippen und darüber hinaus belastet, entsteht ein besonderes Moment des Innehaltens: Ein Zustand zwischen Stabilität und Zusammenbruch, in dem unter künstlerischer Regie maximale Spannung und konzentrierter Stillstand zusammenfallen. Mit dieser Behauptung der künstlerischen Arbeit als autonomer Geste erfolgt so über die Transformation des Materials wie des Raumes hinaus eine befreiende Deklaration von offenen Gestaltungs- und Handlungsspielräumen, die weniger in einem unmittelbar wörtlichen Sinne denn in einem übertragenen Sinne zu verstehen sind.

Gudrun Bott

Schloss RingenbergAugust 2007